18. November 2024

Interview mit Sprachwissenschaftlerin Haley De Korne

Im Sommer 2024 besuchte Prof. Dr. Haley De Korne von der University of Oslo das Institut für Fachdidaktik der Sprachen und Bildungslinguistik (ISB) der PH Luzern. Im Nachgang dazu führte Luc Duvoid ein Interview mit der renommierten Sprachwissenschaftlerin. Die Zusammenfassung in deutscher Sprache folgt hier, die Abschrift des in Englisch geführten Gesprächs findet sich auf der Seite des Instituts für Fachdidaktik der Sprachen und Bildungslinguistik.

Haley De Korne (Bild links) beschreibt ihren akademischen und beruflichen Werdegang mit einem besonderen Fokus auf Sprachvielfalt und Sprachaktivismus. Von klein auf fasziniert von der Diversität der Sprachen und deren unterschiedlichen Bedeutungsstrukturen, begann sie bereits während ihres Bachelorstudiums, sich mit indigenen Sprachen auseinanderzusetzen. Besonders motiviert hat sie die Bedrohung des Sprachensterbens, da bis zu der Hälfte aller menschlichen Sprachen vom Aussterben bedroht sind. Ihre Leidenschaft führte sie zu einem Studium in Anthropologie, Linguistik und Humangeographie, wobei sie sich nun hauptsächlich mit angewandter Linguistik beschäftigt. Diese Disziplin untersucht reale Herausforderungen im Zusammenhang mit Sprache und Kommunikation.

Ihre berufliche Reise startete Haley De Korne in Nord-Michigan, wo sie Projekte zur Revitalisierung und zum Unterricht der indigenen Sprache Anishinaabemowin durchführte. Diese frühen Erfahrungen mit Sprachlehrern und Programmkoordinatoren motivierten sie, weitere Fähigkeiten zu erlernen, die zur Unterstützung dieser Gemeinschaften nützlich sein könnten. Ihre Arbeit führte sie in verschiedene Teile der Welt, darunter Kanada, Luxemburg, die Philippinen und Mexiko. Hier lernte sie von Praktikern aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten und vertiefte ihr Verständnis für die Herausforderungen und Erfolge in der mehrsprachigen Bildung.

Aktuell ist Haley De Korne am MultiLing-Center tätig, das sich auf interdisziplinäre Forschung zu Mehrsprachigkeit konzentriert. Das Zentrum untersucht sowohl kognitive als auch soziale Aspekte der Mehrsprachigkeit und zielt darauf ab, Wissen zu generieren, das zur Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit beiträgt. Dabei betont Haley, dass ideologische Herausforderungen und Ressourceneinschränkungen die Hauptprobleme bei der Förderung und dem Unterricht von Minderheitensprachen darstellen.

Die international renommierte Sprachwissenschaftlerin unterstreicht die Wichtigkeit, die Gleichwertigkeit verschiedener Sprachen im Bildungssystem zu zeigen. Während globale Sprachen wie Englisch für Arbeit und Reisen bedeutend sind, haben lokale indigene Sprachen eine immense persönliche und familiäre Bedeutung. Sie spricht sich dafür aus, dass Bildungssysteme diese Vielfalt anerkennen und fördern sollten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist das Konzept des Translanguaging, bei dem zwischen Sprachen gewechselt wird. In der Bildung von Minderheitensprachen ist dieses Konzept umstritten. Einige Lehrpersonen lehnen es ab, um den Raum für die Minderheitensprache zu schützen, während andere es als natürlichen Teil der Kommunikation ansehen und es in ihren Unterricht integrieren.

Haley De Korne ist überzeugt, dass ihre praxisorientierten Materialien, wie Vorlagen für indigene Sprachworkshops und Berichte zur mehrsprachigen Bildung, einen grösseren Einfluss haben als ihre akademischen Veröffentlichungen. Diese Materialien helfen Lehrpersonen und Gemeinschaften direkt bei ihrer Arbeit und tragen zur Erhaltung und Förderung der sprachlichen Vielfalt bei.

Für die Zukunft der Forschung im Bereich Mehrsprachigkeit und Sprachaktivismus betont Haley De Korne die Bedeutung der Verbindung von Theorie und Praxis sowie der interdisziplinären Zusammenarbeit. Junge Forscher sollten langfristig denken, sich ein starkes Netzwerk aufbauen und offen für Erfahrungen aus verschiedenen Kontexten sein. 


Kontakt

Institutsleiterin ISB
Edina Krompák
Prof. Dr. phil.
Frohburgstrasse 3
6002 Luzern
edina.krompak@phlu.ch
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