10. Oktober 2023

«Lehrdiplom als grosser Vorteil»

Matthias Kretschmer hat sich nach seinem Umzug in die Schweiz dazu entschieden, neben seiner Trainertätigkeit im Fussball das Lehrdiplom für die Sekundarstufe II im Fach Sport an der PH Luzern zu erlangen. Im Jahr 2015 erfolgte der Abschluss. Im Interview erzählt er über seine Studienzeit, seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten und über Parallelen einer Lehrperson gegenüber einem Fussballtrainer.

Matthias, du hast dein Studium 2015 abgeschlossen. Wenn du zurück an deine Studienzeit an der PH Luzern denkst, welche 3 Stichworte fallen dir als Erstes ein?

Die Ausbildung war spannend. Bezogen auf die Rahmenbedingungen war das Studium mit meiner Erwerbstätigkeit gut vereinbar und es war sehr persönlich.

Was macht deiner Meinung nach eine gute Lehrperson aus?

Eine gute Lehrperson kann auf die Schülerinnen und Schüler und deren Bedürfnisse eingehen. Im Sport ist es manchmal sehr speziell, wie wenig Fähigkeiten einzelne Schülerinnen und Schüler mitbringen. Die Erwartungen, die ich an meinen Sportunterricht hatte, musste ich daher relativ schnell anpassen. Weiter sollte man ein gewisses Verständnis für die Lebenswelt und Probleme der Jugendlichen aufbringen. Denn die Probleme bringen sie auch mit in den Unterricht.

Du scheinst hierzu Erfahrungen zu haben.

Ich unterrichtete sechs Jahre in Stettbach Mädchenklassen auf der Sekundarstufe I. Und ich war immer wieder überrascht, wie wenig Lust die Mädchen auf Sportunterricht hatten. An der PH während dem Studium ging man von einer anderen Ausgangslage aus und man fokussierte auch auf den Ergänzungsfachunterricht. Hier wählen die Schülerinnen und Schüler freiwillig die Vertiefung Sport im Gymnasium. Die Inhalte und das Niveau waren natürlich komplett anders als jene, die ich während meiner Unterrichtstätigkeit antraf. Mein Ziel im Unterricht war, dass die Jugendlichen mit Spass in den Unterricht kommen und sich bewegen. Weil die Lust auf und das Interesse für Sport fehlte, war der Unterricht mehr auf Gesundheit ausgerichtet. Die Jugendlichen sollen wissen, dass sie, wenn sie sich nicht bewegen, gesundheitliche Probleme bekommen können. Und dies wird sich auch in der Arbeitswelt zeigen, in die sie nachher eintreten.

Wie unterscheiden sich SEK I und SEK II betreffend Sportunterricht?

Der Unterschied im Sportunterricht zwischen Sekundarstufe I und Sekundarstufe II empfinde ich als gross. In den Praktika konnte ich mit den Klassen viele Sportarten ausprobieren, und im Ergänzungsfach unterrichtete ich auch sporttheoretische Inhalte. Solche Inhalte im Unterricht auf der Sekundarstufe I sind nicht möglich.

Welche Parallelen siehst du nun zwischen deiner Tätigkeit im Nachwuchsspitzenfussball bei den Young Boys und jener als Lehrperson?

Der ganze Methodikbereich läuft ziemlich ähnlich. Da gab es schon immer Parallelen. Mit einem fachwissenschaftlichen Studium im Sport ist man noch kein Pädagoge. Das Studium an der PH Luzern hat mir hierzu viel gebracht, denn ich überlege mir viel mehr, was man macht und wie man es macht. Hier erkenne ich auch Unterschiede zu den Trainern, die keinen pädagogischen Studienhintergrund haben. Ehemalige Profifussballer werden oft ziemlich schnell Trainer und man übernimmt meistens die Vorgehensweisen der eigenen Trainer, die man erlebt hatte. Das Vorgehen ist weniger methodisch durchdacht und auch weniger auf den Menschen fokussiert, dem man begegnet. Ich sehe es deshalb für meinen Beruf als grossen Vorteil, das Lehrdiplom zu haben.

Matthias, du hast dein Studium 2015 abgeschlossen. Wenn du zurück an deine Studienzeit an der PH Luzern denkst, welche 3 Stichworte fallen dir als Erstes ein?

Die Ausbildung war spannend. Bezogen auf die Rahmenbedingungen war das Studium mit meiner Erwerbstätigkeit gut vereinbar und es war sehr persönlich.

Was hat dich motiviert, Lehrperson auf der SEK II-Stufe zu werden?

Ich war damals gerade aus Deutschland in die Schweiz gekommen. Ich hatte ein 50 Prozent Pensum im Fussball erhalten. In Deutschland hatte ich ein Sportstudium mit Fokus Leistungssport absolviert und ich war zudem ausgebildeter Trainer. Bereits in Deutschland hatte ich einige Jahre an einer Sportschule unterrichtet. Ich war dort zuständig für die Sportart Fussball und gleichzeitig auch für den regulären Sportunterricht. In der Schweiz erfuhr ich, dass man mir meine Ausbildung nicht als Lehrdiplom anerkannte. Daher war es nicht möglich, neben meinem 50-Prozent Pensum an einer Schule zu unterrichten. Ich suchte deshalb nach Alternativen und sah die Ausschreibung des Studiengangs an der PH Luzern. Weil es zeitlich gut passte mit den Präsenzzeiten jeweils donnerstags und freitags, entschied ich mich, das Lehrdiplom für die Sekundarstufe II noch zu absolvieren. Im Bereich Fussball kann es schnell sein, dass sich die Rahmenbedingungen ändern und man seine Anstellung verliert. Das Lehrdiplom gibt mir mehr Sicherheit.

Somit hattest du bereits Unterrichtserfahrung, als du mit dem Studium begonnen hast.

Genau, aber nur Sportunterricht. Während dem Studium habe ich mir überlegt, noch ein zusätzliches Fach nachzuholen. Denn eine hochprozentige Anstellung nur als Sportlehrperson zu finden, ist auch nicht einfach. Da ich für die Zulassung aber noch ein fachwissenschaftliches Studium hätte absolvieren müssen, war mir der Aufwand dann doch zu hoch.

Was macht deiner Meinung nach eine gute Lehrperson aus?

Eine gute Lehrperson kann auf die Schülerinnen und Schüler und deren Bedürfnisse eingehen. Im Sport ist es manchmal sehr speziell, wie wenig Fähigkeiten einzelne Schülerinnen und Schüler mitbringen. Die Erwartungen, die ich an meinen Sportunterricht hatte, musste ich daher relativ schnell anpassen. Weiter sollte man ein gewisses Verständnis für die Lebenswelt und Probleme der Jugendlichen aufbringen. Denn die Probleme bringen sie auch mit in den Unterricht.

Du scheinst hierzu Erfahrungen zu haben.

Ich unterrichtete sechs Jahre in Stettbach Mädchenklassen auf der Sekundarstufe I. Und ich war immer wieder überrascht, wie wenig Lust die Mädchen auf Sportunterricht hatten. An der PH während dem Studium ging man von einer anderen Ausgangslage aus und man fokussierte auch auf den Ergänzungsfachunterricht. Hier wählen die Schülerinnen und Schüler freiwillig die Vertiefung Sport im Gymnasium. Die Inhalte und das Niveau waren natürlich komplett anders als jene, die ich während meiner Unterrichtstätigkeit antraf. Mein Ziel im Unterricht war, dass die Jugendlichen mit Spass in den Unterricht kommen und sich bewegen. Weil die Lust auf und das Interesse für Sport fehlte, war der Unterricht mehr auf Gesundheit ausgerichtet. Die Jugendlichen sollen wissen, dass sie, wenn sie sich nicht bewegen, gesundheitliche Probleme bekommen können. Und dies wird sich auch in der Arbeitswelt zeigen, in die sie nachher eintreten.

Wie unterscheiden sich SEK I und SEK II betreffend Sportunterricht?

Der Unterschied im Sportunterricht zwischen Sekundarstufe I und Sekundarstufe II empfinde ich als gross. In den Praktika konnte ich mit den Klassen viele Sportarten ausprobieren, und im Ergänzungsfach unterrichtete ich auch sporttheoretische Inhalte. Solche Inhalte im Unterricht auf der Sekundarstufe I sind nicht möglich. Während des Praktikums in Sursee gingen wir im See schwimmen oder in Brunnen konnten wir Rettungsschwimmerkurse mit den Schülerinnen und Schülern durchführen. Ein Ausflug ins Schwimmbad mit einer Oberstufenklasse zeigt sich als sehr gefährlich, weil einige nicht schwimmen können. Vielleicht ist dies aber regional unterschiedlich und eine rein männliche Klasse auf der Sekundarstufe I wäre wohl einfacher zu motivieren gewesen. In Stettbach waren viele Mädchen aus sozial schwächeren Familien.

Du arbeitest derzeit als Fussball- und Athletiktrainer in der Nachwuchsakademie der Berner Young Boys – Wie sieht dein Werdegang vom Studium bis zu dieser Stelle aus?

Wie bereits gesagt, hatte ich bereits in Deutschland Unterrichtserfahrungen gesammelt. In der Schweiz hatte ich im Fussball als Trainer eine Anstellung erhalten. Nach dem Studium wurde ich über einen Studienkollegen auf die Stelle als Sportlehrperson an der Sekundarschule in Stettbach (Gemeinde Dübendorf) im Kanton Zürich aufmerksam und unterrichtete bis im letzten Jahr (2022) neben meiner Tätigkeit als Fussballtrainer auch noch Mädchenklassen im Sport. Zuerst war es eine Stellvertretung, anschliessend erhielt ich an der Schule ein festes Pensum im Umfang von 9 Lektionen. Da es sich um die Sekundarstufe I handelte, war ich eigentlich nicht dafür qualifiziert und habe stufenfremd unterrichtet. Man hatte anfangs an der PH Zürich durch einzelne Kurse einen Stufenwechsel erlangen können, doch später wurde diese Möglichkeit abgeschafft. Ich wollte kein komplettes Studium für die Sekundarstufe I machen.

Im Sommer 2022 habe ich meine Lehrtätigkeit in Stettbach aufgegeben, weil ich zwischen drei Regionen pendelte – ich wohne in Luzern, der Unterricht war in Zürich und ich arbeite als Trainer bei Young Boys in Bern. Ich konnte zwar im Zug arbeiten, doch wurde es mit der Zeit zu viel, da ich auch eine Familie habe. Zudem konnte ich in Bern mein Pensum auf 80% erhöhen und werde es ab Sommer 2023 sogar auf 100% aufstocken.

Es zeigten sich auch inhaltlich riesige Unterschiede der beiden Tätigkeiten – bei YB bin ich im Leistungssport tätig und die Jugendlichen kommen freiwillig. In Zürich waren die Motivation und das Interesse am Sport nicht wirklich gegeben. Es wurde für mich immer schwieriger, unter der Voraussetzung der Unlust der Jugendlichen Sport zu unterrichten und dabei auch Spass zu haben. Momentan gefällt es mir sehr im Verein zu arbeiten, aber der Bereich wandelt rasch und daher denke ich, werde ich irgendwann wieder zurück in den Lehrerberuf wechseln. Auch finanziell gesehen, wäre eine Anstellung als Sportlehrperson auf der Sekundarstufe II für mich ein Aufstieg. Zudem ist - langfristig gesehen - mit 60 Jahren die Tätigkeit als Sportlehrperson wohl angenehmer als auf dem Fussballplatz draussen. Aus meinen Erfahrungen aus den Praktika an der PH LU sind die Schülerinnen und Schüler auf der Sekundarstufe II relativ motiviert für den Sportunterricht und man kann verschiedene Sportarten ausprobieren.

Welche Haupttätigkeiten hast du im Verein Young Boys?

Ich bin momentan in einer Doppelfunktion. Ich bin von der U21-Mannschaft der Assistenztrainer und gleichzeitig bin ich auch verantwortlich als Konditionstrainer bzw. Athletiktrainer im Nachwuchsbereich. In diesem Bereich sind wir insgesamt drei Trainer, die sich alle Teams aufteilen. Ich bin vor allem für die U16, U17, U18 und U21 zuständig. Ich leite dort das Krafttraining und die Regeneration. Zusätzlich mache ich noch die gesamte Leistungsplanung, also Periodisierung vom Training. In diesem Bereich habe ich einige Weiterbildungen gemacht. 

Auch mache ich alles rund um das GPS-System. Während des Trainings und den Spielen tragen die Spieler in ihrem Sport-BH einen GPS-Sender und damit misst man verschiedene Werte. Die Auswertung davon mache ich auch noch (lacht). Also vor allem der U21 und U18. Ab kommendem Sommer bin ich als Leiter Athletik nur noch für den gesamten Nachwuchsbereich verantwortlich und muss dann nicht mehr als Assistenztrainer mit der Mannschaft mit auf das Spielfeld. So habe ich die Möglichkeit, bei mehreren Mannschaften Einblicke in die Trainings und Spiele zu erhalten und nicht mehr nur ein Team zu begleiten.  

Welche Parallelen siehst du nun zwischen deiner Tätigkeit im Nachwuchsspitzenfussball bei den Young Boys und jener als Lehrperson?

Der ganze Methodikbereich läuft ziemlich ähnlich. Da gab es schon immer Parallelen. Mit einem fachwissenschaftlichen Studium im Sport ist man noch kein Pädagoge. Die Tätigkeiten einer Sportlehrperson und eines Trainers, egal in welcher Sportart, sind für mich ziemlich ähnlich. Im Leistungssport hat man noch mehr den Ergebnisfaktor und man arbeitet auf ein gewisses Ziel hin wie eine Meisterschaft. Im Sportunterricht ist dies weniger der Fall, vieles ist schwierig zu bewerten. Das ist im Leistungssport einfacher. Dort kann man knallhart sagen, aus diesen Gründen reicht es nicht für die nächste Stufe. In der Schule spielt der soziale Faktor auch noch eine Rolle. 

Das Studium an der PH Luzern hat mir hierzu viel gebracht, denn ich überlege mir viel mehr, was man macht und wie man es macht. Hier erkenne ich auch Unterschiede zu den Trainern, die keinen pädagogischen Studienhintergrund haben. Ehemalige Profifussballer werden oft ziemlich schnell Trainer und man übernimmt meistens die Vorgehensweisen der eigenen Trainer, die man erlebt hatte. Das Vorgehen ist weniger methodisch durchdacht und auch weniger auf den Menschen fokussiert, dem man begegnet. Ich sehe es deshalb für meinen Beruf als grossen Vorteil, das Lehrdiplom zu haben.

Welche Herausforderungen siehst du für Lehrpersonen auf der SEK II-Stufe oder als Trainer in den nächsten 5 bis 10 Jahren?

Die Erfahrungen in der Schule und auch im Leistungssport geben mir den Eindruck, dass fast ausschliesslich auf sich selbst geschaut wird. Das Funktionieren als Gemeinschaft oder das «Sich Einbringen» für die Gruppe spüre ich nicht wirklich. Die Jugendlichen sind sehr ich-bezogen und auch weniger kritikfähig. Dies bringt für uns Herausforderungen. Auch die sozialen Medien scheinen diesen Trend zu verstärken. Ich habe auch den Eindruck, dass die Jugendlichen kein grosses Interesse an der Gemeinschaft haben. Sport hat man früher vor allem gemacht, weil man es mit anderen zusammen machen konnte und es eine Gruppendynamik gab. Dies soll kein Vorwurf sein. Die Aktivitäten im Internet oder in den sozialen Medien führen wohl dazu, dass man dieses Gefühl dort erhält und man sich dort mit den Peers trifft, sodass sie es in der realen Welt nicht mehr brauchen.

Zweitens denke ich, wird uns der gesamte Gesundheits- und Ernährungsfaktor immer mehr beschäftigen und damit auch mehr Gewicht erhalten. Bewegungsmangel und alles, was damit zusammenhängt, wird ein grosses Thema werden, das die gesamte Gesellschaft angeht. Der Sportunterricht wird sich vermutlich immer mehr in Richtung Prävention und Gesundheit entwickeln. Ein Sportkollege in Zürich hat seinen gesamten Sportunterricht auf diese Themen ausgerichtet. Die Schülerinnen und Schüler lernen, wie ihr Körper funktioniert und was sie machen müssen, damit sie einigermassen fit bleiben. Es geht deshalb gar nicht mehr um das Lernen von verschiedenen Sportarten. Die Ausbildung an der PH wird sich vermutlich mehr in diese Richtung bewegen und dies nicht nur auf die Sekundarstufe II bezogen, sondern in allen Stufen, die die PH anbietet.

Welchen Rat kannst du dem Studiengang SEK II an der PH Luzern mitgeben?

Mir persönlich hat das Studium sehr gefallen. Was mir immer sehr gefallen hat war, dass wir Module besuchten mit Personen aus verschiedenen Disziplinen, wie z.B. Religion oder Geschichte. Dies war für mich sehr bereichernd. Wir erhielten damit verschiedene Perspektiven und Einblicke in die Fächer. Auch war es spannend, dass einige in anderen Berufen tätig waren. Einer war beispielsweise beim Kanton Aargau beim Sportamt tätig und brachte so eine weitere Perspektive auf Schule und Sportunterricht ein.

Was ich manchmal schade fand, war, dass wir aufgrund unseres Studienhintergrunds inhaltlich einige Wiederholungen hatten. Aber das ist wahrscheinlich schwierig auszuschliessen, weil man nicht genau weiss, was jede und jeder bereits aus dem Fachstudium mitbringt. So wird klar, dass alle auf dem gleichen Stand sind. Etwas mehr Praxis in Fachdidaktik Sport hätte mir sehr zugesagt.


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