27. Mai 2025

PH Luzern unterstützt geflüchtete Lehrpersonen

Lehrpersonen mit Fluchthintergrund können in der Schweiz beruflich oft nur schwer Fuss fassen. Fünf Pädagogische Hochschulen entwickeln nun gezielte Unterstützungsmassnahmen und Weiterbildungsangebote.

Hochschulstudium und Lehrdiplom in der Tasche, jahrelange Berufserfahrung in der Heimat gesammelt, Fachkräftemangel und trotzdem keine Anstellung im Zufluchtsland – so geht es vielen im Ausland ausgebildeten Lehrpersonen, die in der Schweiz auch beruflich Fuss fassen möchten. Stefanie Rinaldi, Leiterin des Instituts für Fachdidaktik der Gesellschaftswissenschaften bestätigt, dass die Anforderungen an den durch die EDK reglementierten Beruf der Lehrperson hoch sind: «Lehrpersonen mit Fluchthintergrund bringen spezifische Kompetenzen und Erfahrungen mit, die angesichts der Heterogenität von Schulklassen und des Lehrpersonenmangels sehr wertvoll sind. Bildungssysteme und pädagogische Praxis unterscheiden sich international jedoch teils erheblich und in der Ausbildung von Lehrpersonen werden oft andere Schwerpunkte gesetzt als in der Schweiz. Um den erfolgreichen Einstieg von Lehrpersonen mit Fluchthintergrund ins schweizerische Bildungssystem zu ermöglichen, braucht es deshalb gezielte Massnahmen.»

Hier knüpft das neue Projekt «Requalifikation und berufliche Integration von Lehrpersonen mit Fluchterfahrung» der Pädagogischen Hochschulen Luzern, St. Gallen, Zürich, Zug und Nordwestschweiz an. In Zusammenarbeit mit mehreren kantonalen Stellen, unter anderem der Dienststelle Volksschulbildung (DVS) und der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern, werden ein Brückenangebot und Begleitmassnahmen während des Studiums konzipiert, welche Lehrpersonen mit Fluchthintergrund Unterstützung und Perspektiven bieten. 

Weitere Informationen zu den Angeboten werden voraussichtlich Anfang 2026 publiziert. Die Angebote ergänzen die Programme des Campus Luzern für Geflüchtete, die sich in erster Linie an geflüchtete Studierende richten. Finanziert werden beide Projekte im Rahmen der projektgebundenen Beiträge (PgB) durch das Staatssekretariat für Migration und das Staatssekretariat für Bildung, Innovation und Forschung sowie durch die beteiligten Hochschulen.

Einblick in individuelle Realitäten dank Pilotprojekt

Um die Situation von Lehrpersonen mit Fluchthintergrund besser zu verstehen und Fachpersonen bei deren Beratung zu unterstützen, hat die PH Luzern in den Jahren 2023 und 2024 das durch den «Fonds Hochschulprojekte» von Perspektiven – Studium finanzierte Projekt «ANGEL – Anerkennung von Diplomen geflüchteter Lehrpersonen» durchgeführt. Dank eines Mappings bestehender Angebote an Pädagogischen Hochschulen sowie Gesprächen mit betroffenen Lehrpersonen und Vertreter*innen von verschiedenen Behörden konnten zentrale Herausforderungen beim Einstieg ins schweizerische Bildungssystem identifiziert werden.

L., beispielsweise, hat in der Ukraine erfolgreich ein Philologiestudium abgeschlossen und ein Diplom für die Hochschullehre erworben. Danach unterrichtete sie mehr als fünfzehn Jahre auf der Primar- und Sekundarstufe. Die Geschichte von M., der aus der Türkei flüchtete, ist ähnlich: M. besitzt einen Master in Mathematik und unterrichtete über zwei Jahrzehnte an Gymnasien.

«Lehrpersonen mit Fluchthintergrund bringen spezifische Kompetenzen und Erfahrungen mit, die angesichts der Heterogenität von Schulklassen und des Lehrpersonenmangels sehr wertvoll sind.»

Stefanie Rinaldi

Trotz ihrer Ausbildung und der mehrjährigen Berufserfahrung treffen L., M. und viele weitere geflüchtete Lehrpersonen hierzulande auf unterschiedliche Herausforderungen bei der Anerkennung ihres Lehrdiploms und beim Wiedereinstieg in den Lehrberuf. M. kann keine vollumfängliche und uneingeschränkte Lehrbefähigung vorweisen. Dieser Fall tritt bei Lehrpersonen auf, deren Studium keine praktische Ausbildung umfasste und die nach dem Hochschulstudium eine berufspraktische Ausbildung absolvieren müssen, um eine vollumfängliche und uneingeschränkte Lehrbefähigung zu erhalten. Angehörigen von politischen Minderheiten, so zum Beispiel Kurd*innen, bleibt ein solches Referendariat oder Praktikum jedoch oft verwehrt. Infolgedessen kann M. keine Anerkennung seines Lehrdiploms durch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) beantragen.

Herausforderung Sprache 

Auch L. hat bisher noch keinen Antrag auf Anerkennung ihres Diploms bei der EDK eingereicht. Denn sie weiss, dass sie dafür ihre Deutschkenntnisse erweitern muss. Bei Einreichung des Antrags müssen ausländische Lehrpersonen in der Regel ein Sprachdiplom auf Niveau C2 vorweisen. Diese Herausforderung hat L. angespornt, einen linguistischen Master im Fach Deutsch zu besuchen. Gleichzeitig hilft ihr die Anstellung als Klassenassistenz an einer Schweizer Volksschule, ihre Sprachkompetenzen und gleichzeitig die Kenntnisse in Bezug auf das schweizerische Bildungssystem zu verbessern.

Nicht selten hängen unzureichende Deutschkenntnisse auch damit zusammen, dass Personen mit Fluchthintergrund, die erwerbstätig sind und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, keinen oder geringeren Anspruch auf kantonale Fördermittel haben. Sie müssen folglich Sprachkurse selbst finanzieren, was gerade bei geringem Einkommen und bei unbezahlter Care-Arbeit in der Familie eine grosse Hürde darstellen kann. 

Factsheets unterstützen Fachpersonen in ihrer Beratungstätigkeit

Um Fachpersonen bei der Beratung von Lehrpersonen mit Fluchthintergrund zu unterstützen, wurden im Rahmen des Projekts ANGEL Factsheets erstellt, die verschiedene Wege zu einem in der Schweiz anerkannten Diplom aufzeigen. Einerseits werden die Anforderungen an ein Gesuch um Anerkennung eines ausländischen Lehrdiploms durch die EDK dargelegt. Andererseits werden Möglichkeiten aufgezeigt, um ein EDK-anerkanntes Diplom an einer Pädagogischen Hochschule in der Schweiz zu erwerben.


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