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Seit im Spätsommer das neue Schuljahr begonnen hat, ist auf diversen Stufen auch die Handschrift ein Thema. Sibylle Hurschler, an der PH Luzern Dozentin für Schriftdidaktik und in Forschungs- sowie Entwicklungsprojekten rund um die Schrift engagiert, erläutert, warum das Schreiben sowohl von Hand wie auch mit der Tastatur wichtig zu lernen ist.
Sibylle Hurschler Lichtsteiner, macht es noch Sinn, wenn Erstklässlerinnen und Erstklässer noch das Schreiben von Hand erlernen, wenn sie in absehbarer Zeit Texte nur noch über Tastaturen von Computern, Notebooks oder Tablets verfassen?
Sibylle Hurschler Lichtsteiner: Handschrift und Tastaturschreiben sind nach wie vor wichtig. Beide Fertigkeiten sind Grundwerkzeuge des Schreibens. Je früher sie bei Menschen automatisiert sind, desto früher hat der Mensch den Kopf frei, um konzentriert Texte zu verfassen. Denn im Zentrum der Aktion steht, was wir schreiben wollen, und nicht die Frage, wie wir das anstellen können. Mit anderen Worten: Wer gute Texte schreiben will, braucht einen vollen Werkzeugkasten.
Im Lehrplan 21 steht, dass Schülerinnen und Schüler eine leserliche, geläufige und persönliche Handschrift erwerben müssen. Dennoch ist «Handschrift» kein isoliertes Schulfach mehr.
Hurschler Lichtsteiner: Die Handschrift ist ausdrücklich genannt im Fachbereich «Sprachen». Es sind für alle Stufen präzise Ziele formuliert und auf die Schreibfähigkeit ausgerichtet. Die Einbindung in den Sprachunterricht ist sinnvoll, weil tägliche kurze Übungszeiten nachweislich wirksamer sind als beispielsweise eine Schreibstunde pro Woche. Zudem: Für Schreibanfängerinnen und -anfänger ist die Handschrift naheliegend, denn das flüssige Tastaturschreiben ist feinmotorisch schwieriger zu erlernen und folgt deshalb etwas später, in der Mitte der Primarschulzeit.
Eine deutsche Studie belegt jedoch, dass Kinder zunehmend unleserlicher schreiben.
Hurschler Lichtsteiner: Das Klagen über unleserliche Schriften ist wohl so alt wie die Schule selbst (schmunzelt). Die Diskussionen werden folglich mit gewisser Regelmässigkeit geführt, und Medien berichten konsequenterweise darüber. In Bezug auf die erwähnte Studie erlaube ich mir folgende Hinweise: Sie wurde in Deutschland durch einen Schreibwarenkonzern durchgeführt. Sie beruht auf Umfragen bei Eltern und Lehrpersonen, und die Auswahl der Antworten war eingeschränkt. Handschriften von Kindern wurden nicht untersucht. Zudem lassen sich Ergebnisse von Untersuchungen in Deutschland nicht einfach so auf die Schweiz adaptieren. In Deutschland gibt es vier, teilweise in die Jahre gekommene Schulschriften und keine einheitliche Didaktik, während wir in den Schulen der deutschsprachigen Schweiz die einheitliche, moderne Deutschschweizer Basisschrift haben.
Die PH Luzern hat vor Jahren eine Studie verfasst, welche die handschriftlichen Leistungen von Zweit- bis Viertklässlerinnen und -klässler untersucht hatte. Welche Erkenntnisse könnten in die aktuellen Diskussionen einfliessen?
Hurschler Lichtsteiner: Als erstes sicher die Feststellung, dass Schülerinnen und Schüler mit Basisschrift-Ausbildung schneller und leserlicher schreiben als Kinder mit der alten Schulschrift. Sie schreiben auch lieber. Besonders die Knaben profitieren von einer leserlicheren Schrift. Aber: Um effizientes Üben kommt man nicht herum! Auch auf Basis dieser Studie wurde die Basisschrift grossflächig eingeführt.
Doch jetzt scheint das Tastaturschreiben zu übernehmen.
Hurschler Lichtsteiner: Im Lehrplan ist beides gleichwertig vorgesehen, nur zeitlich versetzt. Wir sollten das Schreiben von Hand und mit Tastatur nicht gegeneinander ausspielen. Es ist kein entweder – oder. Vielmehr ergänzen sich die beiden Schreibformen. Selbst mit digitalen Devices werden Schreibstifte geliefert, und tatsächlich belegt eine aktuelle Erhebung der PH Luzern, dass Studierende am häufigsten Mischformen, also Stift und Tastatur, nutzen.