Forschungsprojekt zur Diversität

Das Projekt «Akkulturation von Primarschulkindern und ihren Lehrpersonen» (APriL) ist eines von insgesamt 112 Projekten, welche die Forschung und Entwicklung der PH Luzern im 2017 durchgeführt hat. Es untersucht Einstellungen zum Umgang mit kultureller Vielfalt von Primarschullehrpersonen, Schülerinnen und Schülern. Die Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützt.

Überblick

Schweizer Schulen sind heute geprägt von grosser Diversität. Eine wichtige Diversitätsdimension in den Schulklassen stellt die kulturelle Vielfalt unter den Schülerinnen und Schülern dar. Von Lehrpersonen wird erwartet, dass sie sich im Umgang mit der kulturellen Vielfalt sensibel zeigen und das Wissen und die Erfahrungen von Kindern mit Migrationshintergrund im Unterricht als Ressource nutzen können. Die SNF-Studie «Akkulturation von Primarschulkindern und ihren Lehrpersonen» hat sich zum Ziel gesetzt, zu erforschen, welche Einstellungen und Verhaltensweisen im Umgang mit kultureller Vielfalt – sogenannte Akkulturationsorientierungen – Schülerinnen und Schüler sowie deren Klassenlehrpersonen haben.


 Akkulturationsmodell als Grundlage

Grundlage für das Forschungsprojekt bildete das interaktive Akkulturationsmodell des kanadischen Forschers Richard Bourhis, wonach übereinstimmende Akkulturationsorientierungen von Interaktionspersonen zu einvernehmlicheren Beziehungen führen, nicht übereinstimmende Akkulturationsorientierungen hingegen auf der Beziehungsebene Probleme und Konflikte zur Folge haben. Dieses Modell wurde auf den Schulkontext angewandt, um zu erörtern, welche Konstellationen von Akkulturationsorientierungen sich bei Kindern mit Migrationshintergrund und ihren Lehrpersonen zeigen und welche Auswirkungen diese auf die Beziehungsqualität, das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler in der Schule und ihren Bildungserfolg haben können.


Längsschnittstudie

Insgesamt wurden im Jahr 2016 60 Schulklassen der 5. Klasse für die Studie gewonnen und 1112 Schülerinnen und Schüler sowie ihre 60 Klassenlehrpersonen befragt. Die Erhebung wurde in den Kantonen Luzern, Zürich, Zug, Aargau, Basel-Stadt, Basel-Land, Solothurn und Bern durchgeführt. Da es sich um eine Längsschnittstudie handelt, wurde 2017 mit den Schulklassen eine zweite Befragung durchgeführt, deren Daten noch ausgewertet werden.

Die Ergebnisse der ersten Befragung förderten folgende Konstellationen zutage:

  • Schüler/-in und Lehrperson stimmen in ihrer Einstellung gegenüber der kulturellen Vielfalt (multikulturelle Orientierung) in der Schule überein. Zum Beispiel: Eine Schülerin oder ein Schüler bejaht die Aussage, gerne etwas über die verschiedenen Sprachen in der Klasse lernen zu wollen; und die Lehrperson stimmt der Aussage zu, dass die Schule den Schülerinnen und Schüler (mit Migrationshintergrund) helfen sollte, mit der kulturellen Vielfalt in der Gesellschaft umzugehen.
  • Schüler/-in und Lehrperson stimmen in ihrer Einstellung gegenüber der kulturellen Anpassung von Kindern mit Migrationshintergrund (Mehrheitsorientierung) in der Schule überein. Zum Beispiel: Eine Schülerin oder ein Schüler gibt im Fragebogen an, in der Schule mehr über die Schweiz lernen zu wollen; und die Lehrperson stimmt der Aussage zu, dass die Schule den Kindern mit Migrationshintergrund helfen sollte, sich an die «Schweizer Kultur» anzupassen. 

Schulzufriedenheit

Auch zur Frage, welchen Einfluss übereinstimmende Konstellationen auf die Schulzufriedenheit der Schülerinnen und Schüler haben können, wurden Erkenntnisse gefunden. Da sich keine signifikanten Klasseneffekte zeigten, wurden multiple Regressionsanalysen durchgeführt. Eine Übereinstimmung (Kongruenz) in Bezug auf die multikulturelle Orientierung geht mit höherer Schulzufriedenheit aufseiten der Schülerinnen und Schüler einher. Umgekehrt geht eine fehlende Übereinstimmung in Bezug auf die multikulturelle Akkulturationsorientierung mit einer tieferen Schulzufriedenheit einher. Dasselbe trifft auf die Mehrheitsorientierung zu, wonach beide Seiten die kulturelle Anpassung von Kindern mit Migrationshintergrund in der Schule befürworten oder sie ablehnen.

Eine Übereinstimmung (Kongruenz) in Fragen der kulturellen Anpassung an die Schweizer Mehrheitskultur hängt mit einer signifikant höheren Schulzufriedenheit der Schülerinnen und Schüler zusammen als eine fehlende Übereinstimmung. Mit anderen Worten sind Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die von Lehrpersonen mit gleichen Akkulturationsorientierungen unterrichtet werden, in der Schule zufriedener als solche, die diesbezüglich andere Orientierungen haben als ihre Lehrpersonen.

Ein Grund für die Übereinstimmung der Akkulturationsorientierungen könnte darin liegen, dass Primarschulkinder den diesbezüglichen Erwartungen ihrer Lehrpersonen zu entsprechen versuchen und die herrschenden kulturellen Normen in der Schule übernehmen, um Konflikte zu vermeiden und sozial anerkannt zu werden.

Da Akkulturationsorientierungen gemäss der Studie in rund der Hälfte der Fälle nicht übereinstimmen oder normativ problematisch sein können – wie im Fall der beidseitigen Ablehnung der multikulturellen Orientierung – ist vonseiten der Lehrpersonen Sensibilität gegenüber der kulturellen Diversität in der Schule wichtig.


Fazit

Folgende Postulate ergeben sich aus den Ergebnissen der APriL-Studie:

  • Förderung einer diversitätsfreundlichen Kultur und kritische Analyse assimilatorischer Praktiken in den Schulen durch Aus- und Weiterbildung
  • Überprüfung und Weiterentwicklung der Schulstrukturen mit ihren immanenten Orientierungen betreffend Umgang mit kultureller und sprachlicher Diversität
  • Professionelle Beratung von Kindern und Lehrpersonen mit Problemen auf der Beziehungsebene, Einbezug der Akkulturationsorientierungen in die Situationsanalyse und Ergreifen von Massnahmen zur Förderung der Schulzufriedenheit der betreffenden Schülerinnen und Schüler.

Kontakt

Dozentin
Andrea Haenni Hoti
Prof. Dr. phil.
Sentimatt 1
6003 Luzern
andrea.haenni@phlu.ch
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