Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen (IGE)

Historische Bildung – Dies war auch im abgelaufenen Berichtsjahr 2021 eine der wichtigsten Ausrichtungen vieler Projekte am Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern.

Historische Bildung

Historische Bildung – so lässt sich kurz und populär zusammenfassen – ermöglicht einen kompetenten Umgang mit Geschichte, einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesellschaft sowie einen reflektierten Umgang mit sich selbst. Historisch gebildete Menschen können beispielsweise Geschichten über die Vergangenheit erzählen, Faktizität und Fiktionalität unterscheiden, sie ziehen Erkenntnisse über vergangene Phänomene heran, um Schlüsselprobleme der Gegenwart zu analysieren und zu bewältigen, haben einen Blick für Inklusion und Exklusion, tauchen gerne in die Geschichte ein und suchen dennoch immer wieder eine kritische Distanz, und sie orientieren ihr Sein und Handeln an überzeitlichen Werten.


Kernideen des IGE

Angebote zu inszenieren und zu erforschen, bei denen die Vermittlung historischer Bildung gelingt, ist anspruchsvoll: Welche Fragestellungen und Themen erweisen sich als anregend? Wie müssen die Materialien dargeboten werden, damit eine sinnbildende Aneignung stattfindet? Wodurch wird eine produktive Auseinandersetzung und Kommunikation ermöglicht? Das IGE orientiert sich zur Bewältigung dieser Herausforderung an zwei Kernideen:

  1. Forschung, Theorie und Praxis werden in einem zirkulären Prozess verknüpft. Auf diese Weise kommen die an Pädagogischen Hochschulen getrennten Leistungsbereiche themenbezogen wieder zusammen, zum Nutzen von Studierenden, Dozierenden und der Institution, die sich damit profilieren kann.
  2. Forschung und Entwicklung sind sowohl Handwerk als auch Kunst; dies erfordert einen partizipativen Zugang, verstanden als «Design Research» im umfassenden Sinn, also als «Research for Design», «Research about Design» und «Research through Design».

Schwerpunkte

Auch dank dieser Ausrichtung konnten im Berichtsjahr 2021 trotz der herausfordernden Pandemiesituation eine Reihe von Projekten abgeschlossen, gut vorangetrieben und neu akquiriert werden. Dies verleiht dem IGE auch für die nächsten Jahre eine stabile Basis. Das Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen wird zusätzlich zur in den letzten Jahren stetig gewachsenen Grundfinanzierung mit Mitteln unterstützt durch den SNF, das SBFI, durch weitere Bundesstellen (EDA), swissuniversities, durch die EU, durch Kantone und Gemeinden, durch Lehrmittelverlage, Stiftungen und Museen. Das alles bietet den kompetenten Mitarbeitenden gute Perspektiven für die Zukunft und ermöglicht es, historische Bildung sowohl in den Schulen als auch in der Öffentlichkeit zu fördern, zu entwickeln, zu erforschen. Dies geschieht in fünf Schwerpunkten, die im Folgenden kurz vorgestellt werden:

Schwerpunkt 1 «Unterrichtsforschung und Public History» (Leitung Peter Gautschi)

Das wichtigste Projekt in diesem Schwerpunkt ist die vom SBFI geförderte «Stärkung der internationalen institutionellen Kooperation in Bildung und Forschung im Bereich Erinnerungskulturen und Geschichtsdidaktik». Ein Höhepunkt war zweifellos die Tagung «Why History Education», zu der gleich mehrere Publikationen erscheinen werden. Dann konnten im Bereich der Public History die dritte Episode des «Kulturabenteuer Seetal» sowie neue Stationen der «Erinnerungswege am Bürgenberg zum Franzoseneinfall» der Öffentlichkeit übergeben werden.

Schwerpunkt 2: «Schulgeschichtsbücher und Kulturvermittlung» (Leitung Karin Fuchs)

In diesem Schwerpunkt konnten die Entwicklungsarbeiten am gesellschaftswissenschaftlichen Lehrmittel für die Primarstufe, 2. Zyklus, «Logbuch» mit dem Zürcher Lehrmittelverlag weitergeführt werden. Das Projekt ist auf gutem Weg. Band 3 dieses Lehrmittels, bestehend aus Themenheft, Lernplattform für die Schülerinnen und Schüler sowie digitalem Handbuch erscheint 2022. Grosses (auch mediales) Interesse fanden die Veröffentlichung der App «Fuir la Shoah» sowie des IWalks «Das jüdische Luzern 1933-1945». Es ist dies eine Neuentwicklung, die von den Vorarbeiten der App «Fliehen vor dem Holocaust» profitierte. Darüber hinaus ergaben sich neue Kooperationen, die zu Veröffentlichungen geführt haben oder noch führen werden, etwa mit dem Staatsarchiv Uri, dem Gotthardmuseum, mit Memoriav oder mit unsereGeschichte.ch.

Schwerpunkt 3: «Oral History und Fremdplatzierungen» (Leitung Markus Furrer)

Das Leuchtturmprojekt des IGE in diesem Schwerpunkt ist nach wie vor das grosse SNF-Projekt «Adolescent in care and the acquisition of human and social capital». Hier werden Lebenswege von fremdplatzierten Jugendlichen zwischen 1950 und 1985 in den Kantonen Freiburg, Neuenburg, Luzern und Basel-Stadt untersucht. Zudem entwickelte sich im Berichtszeitraum die Zusammenarbeit mit dem Visual History Archive der USC Shoah Foundation erfreulich. Das VHA ist ein Archiv für visuelle Geschichte. Mittlerweile umfasst es gegen 60’000 Zeugnisse zum Holocaust und zu weiteren Genoziden. Es handelt sich um Interviews, die in 65 Ländern und in 43 Sprachen durchgeführt wurden. Das IGE erschliesst mit Partnern das Archiv für Lehre und Forschung im deutschsprachigen Raum und konnte 2021 die neue Website «LebensGeschichten» veröffentlichen.

Schwerpunkt 4: «Erinnerungsnarrative und Mythisierungen» (Leitung Franziska Metzger)

Ein Höhepunkt der Arbeit in diesem Schwerpunkt war auch im Berichtsjahr wieder die Durchführung des International Blended Learning Seminars «Europe. Practices, Narratives, Spaces of Memory», an dem unter der Leitung des Leading-Houses PH Luzern Studierende von Universitäten aus fünf verschiedenen Ländern (Schweiz, Deutschland, Frankreich, Polen, Niederlande) teilnahmen.

Im vergangenen Jahr wurden darüber hinaus der zweite Band der beim Böhlau Verlag lancierten Publikationsreihe «Erinnerungsräume. Geschichte – Literatur – Kunst» veröffentlicht und fand grosse Resonanz. Auch das Kulturvermittlungs-Projekt «Danioth digital – Uri mit den Augen Heinrich Danioths», welches von der Dätwyler Stiftung finanziert ist, läuft gut, erfreulicherweise auch hier dank der intensiven Zusammenarbeit von Mitarbeitenden des IGE, von Studierenden im Master «Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung» sowie von externen Partnerinnen, Partnern der Wirtschaft und der Public History.

«Gegen Antisemitismus in Schulen und Hochschulen» – so lautet der Titel eines neuen Projekts, das das IGE mit Mitteln der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zusammen mit Partnern in Deutschland und Österreich im Herbst lanciert hat. Dazu wird im Jahr 2022 die Publikation «Antisemitismen – Sondierungen im Bildungsbereich» mit einer grossen Veranstaltung in Wien der Öffentlichkeit vorgestellt.

Schwerpunkt 5: «Politische Bildung: Demokratie und Menschenrechte» (Thomas Kirchschläger, Urban Sager)

Dies ist der jüngste Schwerpunkt des Instituts. Er ist dank der Integration des Zentrums für Menschenrechtsbildung im Jahr 2020 entstanden. Ein Leuchtturmprojekt dieses Schwerpunkts ist zweifellos die «Lernumgebung Kinderrechte» (LUKIRE). LUKIRE sensibilisiert Kinder und Jugendliche für ihre Rechte und die Rechte anderer Menschen. An verschiedenen Lernstationen stehen selbständiges Erforschen sowie handlungsorientiertes Lernen im Fokus. LUKIRE ist ausgerichtet auf alle Zyklen.

Als neues Projekt konnte mit Partnerinnen und Partnern zusammen «Kinderrechte in der Tasche» lanciert werden. Ziel ist es, 6- bis 12-Jährigen mit einer App einen niederschwelligen und spielerischen Zugang zu Rechtsgrundlagen und Anlaufstellen zu bieten. Um den Bedürfnissen und Interessen der künftigen Nutzerinnen und Nutzer Rechnung zu tragen, arbeitet das Projektteam in einem partizipativen Prozess mit Kindern zusammen.

Überblick Projekte und Publikationen

Der folgende Überblick über die Projekte sowie die separaten Literatur- und Referatszusammenstellungen machen deutlich, dass sich das IGE auch dank der Schwerpunktsetzung eine starke Stellung in der Community gesichert und eine grosse Sichtbarkeit erreicht hat. 2021 war für das IGE erneut ein erfolgreiches Jahr, das der Konsolidierung des Erreichten und der Horizontöffnung für die Zukunft diente.


Publikationen IGE 2021

  • Christensen, B., Jenzer, S., Meier, T. & Winkler, C. (2021). Versorgt in Gmünden. Administrative Zwangsmassnahmen im Kanton Appenzell Ausserrhoden, 1884–1981. Zürich: Chronos Verlag.

  • Metzger, F. & Tertünte, S. (Eds.). (2021). Sacred Heart Devotion: Memory, Body, Image, Text - Continuities and Discontinuities (1. Aufl.). Erinnerungsräume. Geschichte - Literatur - Kunst. Köln: Böhlau.

  • Tobler, L. (2021). Banken im Sturm. Die Politisierung des Schweizer Finanzplatzes in den 1970er- und 80er-Jahren. Zürich: Chronos Verlag.

  • Furrer, M. (2021). Oral History – als Methode und Quelle in der Militärgeschichte: Welche (neuen) Erkenntnisse lassen sich damit erschliessen? Die anderen Quellen für die Militärgeschichte der Schweiz, Schweizerische Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaften (SVMM), Solothurn, 06.11.2021.

  • Furrer, M. (2021). Why History Education? Digital Conference of the International Society for History Didactics (ISHD), Pädagogische Hochschule Luzern, Luzern, 16.09.2021 bis 18.09.2021.

  • Furrer, M. (2021). Zur Bedeutung von Kulturgesellschaften früher und in unserer Zeit. Betrachtungen und Reflexionen am Beispiel der Adelrich-Gesellschaft. 75. Generalversammlung der Adelrich-Gesellschaft am Etzel und Zürichsee, Pfäffikon, 25.09.2021.

  • Furrer, M. (2021). «Europe» in Swiss History Textbooks. «Nation, Nationalism and School in Contemporary Europe», International Society for Research on Textbooks and Educational Media, in Zusammenarbeit mit der Universität Parma, digitale Konferenz (Parma), 15.03.2021.

  • Gautschi, P. (2021). Different Cultures in Digital History. Digital History and Historiography, Perm, Russland (Zoom), 08.06.2021.

  • Gautschi, P. (2021). Digitale Medien zur geschichtlichen Bildung - ihr Potenzial zum Umgang mit Heterogenität. Fachlichkeit und Heterogenität, Augsburg (Zoom), 03.12.2021.

  • Gautschi, P. (2021). Gesellschaftswissenschaften – Unterwegs in die Zukunft. «Wie geht's?» 50 Jahre Weltkundeunterricht in der Praxis, Kiel, 13.11.2021.

  • Gautschi, P. (2021). Mixed Reality - Digitale Lernumgebungen. Digitalität, Kappel, 01.11.2021.

  • Gautschi, P. (2021). «Prod-using» History in a Broad Present: A Great Challenge for Education. Why History Education, Luzern, 16.09.2021 bis 18.09.2021.

  • Metzger, F. (2021). Abendlanddiskurse und Erinnerungsräume Europas. Einführung, mit Heinz Sproll. Abendlanddiskurse und Erinnerungsräume Europas, Prof. Dr. Franziska Metzger und Prof. Dr. Heinz Sproll, Luzern, 30.09.2021.

  • Metzger, F. (2021). Erinnerungsnarrative des Abendlandes und die Mythisierung von Räumen in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Abendlanddiskurse und Erinnerungsräume Europas, Prof. Dr. Franziska Metzger und Prof. Dr. Heinz Sproll, Luzern, 01.10.2021.

  • Metzger, F. (2021). Synthese. Abendlanddiskurse und Erinnerungsräume Europas, Prof. Dr. Franziska Metzger und Prof. Dr. Heinz Sproll, Luzern, 01.10.2021.

  • Szkiet, C. (2021). Digital Public History in der Lehre - Chancen, Herausforderungen und Grenzen? Workshop Public History in der Lehre, Zentrum für zeitgenössische Forschung Potsdam in Kooperation mit dem Centre for Contemporary and Digital History (C²DH) der Universität Luxembourg, Universität Luxembourg, 23.09.2021 bis 24.09.2021.


Kontakt

Projektmitarbeiter IGW
Peter Gautschi
Prof. Dr. phil.
peter.gautschi@phlu.ch
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